Planungstool für Gebäude & Quartiere

Fallstudie: Kalte Nahwärme (Anergienetz)

In dieser Fallstudie wird ein Quartier mit Wärme- und Kältebedarfen durch ein kaltes Nahwärmenetz versorgt. Der gesamte Planungsprozess kann im nPro-Tool durchgeführt werden: Von der Bedarfsberechnung über die Rohrdimensionierung bis hin zur Auslegung der Wärme- und Kälteerzeuger in der Energiezentrale.

Quartier

Es wird eine Energieversorgung für ein beispielhaftes Quartier mit 6 Gebäuden geplant. Als Standort des Quartiers wird Berlin (Deutschland) angenommen.

Quartiersübersicht
Abbildung 1: Quartier mit den 6 zu versorgenden Gebäuden. Die Energiezentrale befindet sich in Gebäude A.

Bedarfsanalyse

In einem ersten Planungsschritt werden die Bedarfe für Wärme, Kälte und Strom für jedes Gebäude ermittelt. Es wird angenommen, dass alle Gebäude einen Raumwärme- und Trinkwarmwasserbedarf aufweisen, der über Wärmepumpen aus dem kalten Nahwärmenetz gedeckt wird. Zur Berechnung der Wärmepumpen werden COP-Kennfelder verwendet, die in nPro für verschiedene Wärmepumpen-Hersteller hinterlegt sind. Kälte für die Raumklimatisierung sowie Prozesskälte (z. B. Serverkälte) wird über einen Wärmeübertrager gedeckt, der ebenfalls mit dem kalten Nahwärmenetz verbunden ist. Als Strombedarfe der Gebäude werden allgemeine Nutzerstrombedarfe (z. B. für Beleuchtung) sowie Bedarfe für Elektromobilität angenommen. Dazu kommen die Betriebsstrombedarfe für die Wärmepumpen zur Wärmebereitstellung. Die Bedarfsprofile können in nPro mit wenigen Klicks für jedes der 6 Gebäude erstellt werden. Jahresprofile mit stündlicher Auflösung sind für die Berechnung des Quartiers von großer Wichtigkeit, da zeit- und saisonabhängige erneuerbare Quellen (hier Photovoltaik) genutzt werden sollen.

Tabelle 1: Gebäudeübersicht des zu versorgenden Quartiers (ohne Betriebstrombedarfe für Wärmepumpen)
Gebäude Nutzung Nutzfläche Heizwärme-
bedarf
TWW-
Bedarf
Kühl-
bedarf
Strom-
bedarf
A Hotel 20000 m² 1700 MWh 640 MWh 980 MWh 3000 MWh
B Büro mit Serverräumen 18000 m² 1170 MWh 144 MWh 2810 MWh 936 MWh
C Einzelhandel 24500 m² 1593 MWh 74 MWh 784 MWh 2352 MWh
D Museum 16500 m² 1073 MWh 83 MWh 578 MWh 859 MWh
E Theater 6700 m² 503 MWh 40 MWh 101 MWh 563 MWh
F Restaurant 2500 m² 188 MWh 125 MWh 50 MWh 358 MWh

Last an Energiezentrale

Nach dem Hinzufügen aller Gebäude zum Quartier, können in nPro die Lastverläufe aller Gebäuden sowie der Energiezentrale in stündlicher Auflösung dargestellt werden. Tabelle 2 zeigt die aus dem kalten Nahwärmenetz bezogene Wärme und Kälte (Wärme-/Kältebezug), sowie den aus dem Stromnetz bezogenen Strom, der sich aus den Gebäudebedarfen sowie dem Betriebsstrombedarf der Wärmepumpen zusammensetzt. Die aus dem kalten Nahwärmenetz bezogene Wärme ist geringer als die Wärmebedarfe aufgrund der Tatsache, dass am Verdampfer der Wärmepumpe ein geringerer Wärmebedarf auftritt als die Wärmeleistung am Kondensator der Wärmepumpe. Außerdem werden im nPro-Tool Ausgleichseffekte im Gebäude berücksichtigt: Wenn Wärme- und Kältebedarfe gleichzeitig auftreten, tritt ein Abwärmestrom bei der Kältebereitstellung (Wärmeübertrager) auf, der direkt am Verdampfer der Wärmepumpe genutzt werden kann. Auf diese können sich Wärme- und Kältebedarfe - wenn sie gleichzeitig auftreten - teilweise ausgleichen. Dieser Ausgleichseffekt im Gebäude, wie auch im kalten Nahwärmenetz, wird in nPro automatisch bei der Simulation berücksichtigt. In Abbildung 2 und 3 sind die Bedarfsprofile an der Energiezentrale für Wärme und Kälte abgebildet.

Tabelle 2: Die von den Gebäuden aus dem kalten Nahwärmenetz bezogene Wärme und Kälte (Wärme-/Kältebezug), sowie aus dem Stromnetz bezogener Strom, der sich aus den Gebäudebedarfen sowie dem Betriebsstrombedarf der Wärmepumpen zusammensetzt.
Wärmebezug Kältebezug Strombezug
Energiebezug aller Gebäude 4579 MWh 4278 MWh 9797 MWh
Einspeisung an Energiezentrale 4147 MWh 3846 MWh 9877 MWh
Lastprofil an der Energiezentrale
Abbildung 2: Lastprofil an der Energiezentrale (positiv: Wärmebedarf, negativ: Kältebedarf)
Wärmebedarfsprofil an der Energiezentrale als Heatmap
Abbildung 3: Wärme- und Kältelasten an der Energiezentrale über das Jahr

Die Ausgleichseffekte zwischen Wärme- und Kältebedarfen im Gebäude und im kalten Nahwärmenetz sind in Abbildung 4 dargestellt. Während der gesamte Wärmebedarf aller Gebäude 7333 MWh/Jahr beträgt, müssen die Gebäude nur 4579 MWh Wärme aus dem kalten Nahwärmenetz beziehen. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass am Verdampfer der Wärmepumpe weniger Wärme benötigt wird als am Kondensator zur Verfügung steht (Differenz ist die elektrische Leistungsaufnahme der Wärmepumpe). Zum anderen werden in diesem Beispiel 1025 MWh direkt in den Gebäuden ausgeglichen, indem Abwärme aus der Kältebereitstellung direkt am Verdampfer der Wärmepumpe genutzt wird. Dadurch reduziert sich auch der Kältebedarf von 5303 MWh (Gebäudebedarf) auf 4278 MWh, der noch aus dem kalten Nahwärmenetz bezogen werden muss. Im kalten Nahwärmenetz können aufgrund von gleichzeitigen Wärme- und Kältebedarfen zu einigen Zeiten im Jahr weitere 432 MWh ausgeglichen werden. Die Wärmeeinspeisung an der Energiezentrale beträgt damit 4147 MWh und die Kälteeinspeisung 3846 MWh.

Energiebedarfe im System: Von der Energiezentrale bis zu den Gebäuden kommt zu Ausgleichseffekten zwischen Wärme- und Kältebedarfen, die die Einspeiseleistung an der Energiezentrale verringert
Abbildung 4: Energiebedarfe im System: Von der Energiezentrale bis zu den Gebäuden kommt es zu Ausgleichseffekten zwischen Wärme- und Kältebedarfen, die die Einspeiseleistung an der Energiezentrale verringert. Darstellung nach Wirtz et al.

Rohrdimensionierung

In nPro können für Wärmenetze die Durchmesser der Rohre halb-automatisch dimensioniert werden. In diesem Auslegungsbeispiel werden für die Netzberechnung die in Tabelle 3 aufgelisteten Annahmen getroffen.

Tabelle 3: Annahmen für die Wärmenetzberechnung
Parameter Wert
Mittlere Netztemperatur 16 °C
Pumparbeit (Anteil an Wärme-/Kälteeinspeisung) 1 %
Gleichzeitigkeitsfaktor 1
Temperaturspreizung 10 K
Rohrrauhigkeit 0,1 mm

In Abbildung 5 ist beispielhaft die Dimensionierung des Strangs zu den Gebäuden B, C und D dargestellt. Das nPro-Tool schlägt in einer Vorauslegung drei Rohrdurchmesser für den betreffenden Abschnitt vor. In diesem Fall sind dies die Durchmesser DN250, DN300 und DN350. nPro berechnet dann zu jedem der vorgeschlagenen Durchmesser das maximale Druckgefälle sowie weitere Kennzahlen wie die jährliche Pumparbeit oder maximalen Strömungsgeschwindigkeiten. Auf Basis dieser Informationen kann der Benutzer den optimalen Rohrdurchmesser auswählen.

Rohrdimensionierung des kalten Nahwärmenetzes
Abbildung 5: Druckgefälle im warmen und kalten Leiter des kalten Nahwärmenetzes, welche die Gebäude B, C und D versorgen für drei verschiedene Rohrdurchmesser.

Die für dieses Quartier optimierten Rohrdurchmesser für das kalte Nahwärmenetz sind in Abbildung 6 dargestellt.

Rohrdimensionierung des Wärmenetzes
Abbildung 6: Rohrdimensionierung des kalten Nahwärmenetzes.
Im nPro-Tool können Rohrdurchmesser für Wärme-, Kälte- und kalte Nahwärmenetze halb-automatisiert bestimmt und optimiert werden.

Auslegung der Energiezentrale

Für das vorliegende Quartier soll die Energiezentrale Wärme und Kälte für das kalte Nahwärmenetz bereitstellen. Die verfügbare PV-Modulfläche soll dabei 8000 m² nicht überschreiten. Außerdem soll ein zentraler Wärmespeicher vorgesehen werden, der zur Wärme- und auch Kältespeicherung genutzt werden kann. Über ihn können sich Wärme- und Kältebedarfe im Quartier auch dann ausgleichen, wenn sie nicht direkt gleichzeitig auftreten. In der Optimierungsrechnung wird die optimale Kapazität des Wärmespeichers sowie die optimale PV-Modulfläche ermittelt. Der durch die Simulation ermittelte Betrieb ist in Abbildung 7 zusammengefasst. Die PV-Module erzeugen über das Jahr 1207 MWh Strom. Damit können 10,3 % des benötigten Strombedarfs im Quartier erzeugt werden. Die CO2-Emissionen für dieses Quartier betragen 3691 t pro Jahr.

Optimiertes Energiesystem aus reversibler Luftwärmepumpe und PV-Anlage
Abbildung 7: Optimiertes Energiesystem aus reversibler Luftwärmepumpe und PV-Anlage

In Abbildung 8 ist der Betrieb des zentralen Wärmespeichers dargestellt. Im Sommer aber auch im Winter wird überschüssige Abwärme aus der Kältebereitstellung eingespeichert und in den Abend- und Nachtstunden genutzt, um die residualen Wärmebedarfe im Netz auszugleichen. Im Sommer erfolgt die Einspeicherung von überschüssiger Abwärme am Tag auch, um sie während der Nacht rückzukühlen, wenn die Luftwärmepumpe einen besseren COP aufgrund der geringeren Außentemperatur erreicht.

Betrieb des zentralen Wärmespeichers über das Jahr
Abbildung 8: Betrieb des zentralen Wärmespeichers über das Jahr

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