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Wirtschaftlichkeit und Kosten von kalter Nahwärme

Für die Entscheidung, welches Energiesystem in einem Quartier umgesetzt wird, ist die Wirtschaftlichkeit naturgemäß ein entscheidender Faktor. Auf dieser Seite finden Sie Informationen zur Wirtschaftlichkeit von kalten Nahwärmenetzen (Anergienetzen) und Antworten auf die Fragen, ob und in welchen Fällen kalte Nahwärme wirtschaftlich ist und welche Wärmegestehungskosten zu erwarten sind.

Einflussfaktoren auf die Wirtschaftlichkeit von kalten Nahwärmenetzen

Eine Reihe von Faktoren beeinflussen die Wirtschaftlichkeit von kalten Nahwärmenetzen. Im Folgenden sind einige wichtige Einflussgrößen aufgelistet:

  • Bedarfsausgleich von Wärme- und Kältebedarfen: Die Bedarfsstruktur eines Quartiers kann einen großen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit und Effizienz von kalten Nahwärmenetzen haben. Kalte Nahwärme eignet sich besonders gut, wenn Wärme- und Kältebedarfe an möglichst vielen Zeitpunkten im Jahr gleichzeitig auftreten. Dies ist beispielsweise gegeben, wenn bei Wohngebäuden im Sommer ein Trinkwarmwasser-Bedarf (Wärmebedarf) und ein Bedarf zur Raumklimatisierung (Kältebedarf) vorliegt. In diesem Fall kann die Abwärme der Raumklimatisierung, die in das Wärmenetz eingespeist wird, dazu genutzt werden, Trinkwarmwasserbedarfe bereitzustellen. Zur Beurteilung der Gleichzeitigkeit von Wärme- und Kältebedarfe sind verschiedene Kennzahlen entwickelt worden, wie beispielsweise der Bedarfsüberlappungskoeffizient (engl. demand overlap coefficient, DOC).
  • Existenz und Eigenschaften von Abwärmequellen: Eine vielversprechende Möglichkeit zur Errichtung von hoch-effizienten Wärmeversorgungssystemen ist die Erschließung von Abwärmequellen oder Umgebungswärme. Beispielsweise kann die Abwärme aus Kanalabwasser mittels Wärmeübertrager zurückgewonnen werden und zur Speisung eines kalten Nahwärmenetzes verwendet werden. In einigen Fällen ist auch höherwertige Abwärme vorhanden, welche auf höheren Temperaturniveaus vorliegt. Grundsätzlich empfiehlt es sich, die vorhandene Temperatur der Abwärmequelle direkt zu nutzen und ein Wärmenetz zu errichten, dessen Betriebstemperatur knapp unterhalb der Temperatur der Abwärmequelle liegt. Dies bedeutet, dass ein kaltes Nahwärmenetz wenig vielversprechend ist, wenn eine Abwärmequelle auf einem Temperaturniveau von bspw. 80 °C vorliegt. In diesem Fall ist es ratsam, ein Wärmenetz auf rund 75-80 °C zu betreiben, sodass Gebäude direkt beheizt werden können, ohne zusätzlich eine Gebäude-Wärmepumpe zu installieren. Im Fall von Kanalabwasser, welches meist bei rund 12 °C vorliegt, ist ein kaltes Nahwärmenetz wiederum eine vielversprechende Lösung. Grundsätzlich steigern Abwärmequellen in einem Quartier die Wirtschaftlichkeit einer Wärmenetzlösung deutlich.
  • Kosten zum Erschließen von Wärmequellen: In vielen Quartieren mit kaltem Nahwärmenetz werden Geothermie-Sonden errichtet und als primäre Wärmequelle genutzt. Alternativ können jedoch auch andere Wärmequellen erschlossen werden, wie z. B. Erdkollektorfelder (oberflächennahe Geothermie, Agrothermie), Kanalabwasserwärme oder Oberflächengewässer (Aguathermie). Diese Wärmequellen können aufgrund von lokalen Gegebenheiten sehr individuelle Erschließungskosten aufweisen.
  • Verlegekosten des Wärmenetzes: Die Verlegekosten für Wärmenetze weisen große Unterschiede auf je nachdem in welchem Gebiet das Netz errichtet werden soll. Am teuersten sind die Verlegekosten im hochverdichteten urbanen Raum und Bestandsquartieren, am geringsten sind die Kosten im ländlichen Raum für Neubauquartiere. Ferner können die Tiefbaukosten selber von Ort zu Ort je nach Verfügbarkeit von Unternehmen unterschiedlich ausfallen. Bei Neubauquartieren sollten Wärmenetze zusammen mit anderer Infrastruktur (Strom und Glasfaser) verlegt werden, um die Verlegekosten zu reduzieren.
  • Nutzung von selbst erzeugtem Strom: Ein großer Vorteil von kalten Nahwärmenetzen ist, dass zum Betrieb der Gebäude-Wärmepumpen auch Strom einer eigenen Photovoltaik-Anlage verwendet werden kann. Dies erhöht die Selbstnutzung des PV-Stroms und damit auch die Wirtschaftlichkeit der PV-Anlage. Die Wirtschaftlichkeit eines kalten Nahwärmenetzes hängt damit auch von der Verfügbarkeit von Dachflächen zur Installation von PV-Anlagen ab sowie dem politischen Willen, diese auch zur Nutzung von PV-Anlagen zu verwenden.
  • Nutzung von Förderprogrammen: Ein wichtiger Einflussfaktor ist die Nutzung von politischen Förderprogrammen. Oftmals erreichen nachhaltige Quartierskonzepte erst durch die Nutzung von geeigneten Förderprogrammen die Schwelle zur Wirtschaftlichkeit. Ein wichtiges Förderprogramm für kalte Nahwärmenetze ist die Bundesförderung effizienter Wärmenetze.

Welche Wärmegestehungskosten sind zu erwarten?

Wie bereits erläutert, können die Wärmekosten für kalte Nahwärmenetze nicht pauschal beziffert werden. Nichtsdestotrotz können die Erfahrungen aus vergangenen Projekten Anhaltspunkte geben: In Schallstadt ist ein kaltes Nahwärmenetz für Wohngebäude mit einem Gebäudestandard KfW40+ geplant. Die avisierten Wärmegestehungskosten liegen in diesem Quartier bei 12,8 ct/kWh. Bei einem Wärmebedarf (Raumwärme und Trinkwarmwasser) von 36 kWh/m² ergeben sich damit flächenspezifische Heizkosten von 458 € pro 100 m² und Jahr. Zum Vergleich: In drei vergleichbaren Quartieren mit konventionellem (heißen) Wärmenetz, welche im Zeitraum von 2014 bis 2016 in Betrieb gingen, wurden Wärmekosten zu 15,6 und 16 ct/kWh bestimmt (Angaben gemäß Nebenkostenabrechnungen). In den heißen Netzen ergaben sich somit flächenspezifische Heizkosten zwischen 867 und 1001 € pro 100 m² und Jahr.
Ein wichtiger Aspekt, der bei Vergleichen zur Wirtschaftlichkeit von kalten Nahwärmenetzen häufig nicht ausreichend betrachtet wird, ist die Möglichkeit zur nahezu kostenfreien, passiven Kühlung. Insbesondere vor dem Hintergrund immer stärker ausgeprägter Hitzeperioden wird sich der Bedarf der Raumklimatisierung in den kommenden Jahren stetig erhöhen. Der Nutzen der kostenlosen Kältebereitstellung wird jedoch häufig nicht bei den Wärmegestehungskosten berücksichtigt. Als Beispiel für eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zu kalter Nahwärme sei auf eine im Jahr 2021 erschienene wissenschaftliche Studie verwiesen. Hier wurden kalte Nahwärmenetze mit herkömmlichen Wärmenetzen für zwei Standorte in Dänemark und Großbritannien verglichen. Die Autoren kamen zum Ergebnis, dass leichte Kostenvorteile für das konventionelle Wärmenetz bestehen. In dieser Studie wurde jedoch der Vorteil der kostenlosen Gebäudeklimatisierung vollständig vernachlässigt. Außerdem wurden Kostenvorteile durch die Eigenstromnutzung von Photovoltaik-Anlagen oder Förderprogramme nicht betrachtet.

Praxisbeispiel: Vohbachsiedlung in Burgheim

Im Rahmen der Vorplanung für die Vohbachsiedlung in Burgheim wurden unterschiedliche Energiekonzepte miteinander verglichen. Es wurde eine Wirtschaftlichkeitsanalyse durchgeführt, um herauszufinden, welches Konzept die geringsten Vollkosten aufweist. Hierbei wurde eine dezentrale Lösung mit Gaskessel und Solarthermie-Kollektor, ein konventionelles Wärmenetz sowie eine kalte Nahwärme-Lösung miteinander verglichen. Das konventionelle, heiße Wärmenetz wies die höchsten Vollkosten auf und lag 12 % über der Lösung mit Gaskesseln und Solarthermie-Kollektoren. Die Vollkosten des kalten Nahwärmenetzes lagen unterhalb der Gaskessel-Lösung (Kosteneinsparungen von 15 %).

Das nPro-Tool ermöglicht die schnelle Abschätzung der Wirtschaftlichkeit unterschiedlicher Quartierslösungen in der Konzeptfindungsphase.

Fazit zur Wirtschaftlichkeit

Insgesamt besteht unter Fachplanern im Allgemeinen die Auffassung, dass kalte Nahwärmelösungen herkömmlichen Quartierslösungen in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit nicht nachstehen. Einige Planer sehen kalte Nahwärmenetze in aller Regel als die wirtschaftlichste Option an, was aber nicht unbedingt verallgemeinert werden kann, insbesondere bei Bestandsquartieren oder Quartieren mit unterschiedlichen Gebäudenutzungstypen (nicht ausschließlich Wohngebäude). Wichtig ist die Wirtschaftlichkeit individuell für jedes Quartier zu prüfen und hierzu unterschiedliche Quartierskonzepte miteinander zu vergleichen. Neben lokalen Randbedingungen spielen auch die aktuellen politischen Förderprogramme eine wichtige Rolle (z. B. BEW-Förderung: Bundesförderung effizienter Wärmenetze).

Quellen

  1. Oddgeir Gudmundsson, Anders Dyrelund and Jan Eric Thorsen: Comparison of 4th and 5th generation district heating systems, E3S Web Conf., Volume 246, 2021. DOI: 10.1051/e3sconf/202124609004
  2. Quantifying Demand Balancing in Bidirectional Low Temperature Networks. M. Wirtz, L. Kivilip, P. Remmen, D. Müller. Energy and Buildings, 224, 110245, 2020.

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