Planungstool für Gebäude & Quartiere

Druckverluste und Rohrdimensionierung bei kalten Nahwärmenetzen

Die Auslegung von kalten Nahwärmenetzen ist komplexer als von normalen heißen Wärmenetzen. Auf dieser Seite finden Sie Informationen, wie kalte Nahwärmenetze hydraulisch ausgelegt werden können und was hierbei beachtet werden muss.

Warum ist die Netzauslegung und -planung bei kalten Nahwärmenetzen komplexer?

Technisch gesehen läuft die Bestimmung der Rohrdurchmesser von kalten Nahwärmenetzen ähnlich ab wie die Rohrdimensionierung bei herkömmlichen heißen Wärmenetzen. Im Detail ergeben sich jedoch einige wichtige Unterschiede. Zum einen besteht die Schwierigkeit darin, die maximalen Massenströme in den Rohrabschnitten zu ermitteln. Dies ist bei kalten Nahwärmenetzen komplexer aufgrund des wechselseitigen Ausgleichs von Wärme- und Kältebedarfen. Des weiteren sollte der Betrieb des kalten Nahwärmenetzes sehr viel genauer bereits bei der Planung abgeschätzt werden, was es erlaubt nicht nur die maximalen Massenströme für die Dimensionierung zu berücksichtigen, sondern auch die Verteilung der Massenströme über den Verlauf des Jahres. Ein weiterer wichtiger Unterschied bei der Dimensionierung ist, dass bei kalten Nahwärmenetzen häufig ungedämmte Kunststoffrohre zum Einsatz kommen. Diese sind in der Anschaffung und Verlegung wesentlich kostengünstiger als herkömmliche Kunststoffmantelrohre aus Stahl (KMR). Dies hat Einfluss auf den optimalen Rohrdurchmesser, da dieser sich strenggenommen aus einer techno-ökonomischen Optimierung ergibt. Zuletzt kann auch das Medium Einfluss auf die Rohrdimensionierung haben: In einigen Fällen wird nicht Wasser als Wärmeträgermedium verwendet, sondern ein Wasser-Glykol-Gemisch. Dies stellt für Netze mit sehr geringen Temperaturen sicher, dass das Fluid in den Rohren auch bei Temperaturen unter 0 °C nicht zufriert. Da ein Wasser-Glykol-Gemisch andere physikalische Eigenschaften (Dichte, spezifische Wärmekapazität) aufweist als reines Wasser, hat dies ebenfalls Einfluss auf die Massen- und Volumenströme und damit auf die Wahl des optimalen Rohrdurchmessers.
Zusammenfassend ergeben sich also folgende Einflussfaktoren, welche die Auslegung von kalten Nahwärmenetzen erschweren:

  • Bedarfsausgleich von Wärme- und Kältebedarfen führt zu Massenstromreduktion
  • Einfluss des späteren Betriebsverhaltens muss bereits in der Planung berücksichtigt werden.
  • Einsatz von Kunststoffrohren, welche günstiger in der Anschaffung und in der Verlegung sind
  • Einsatz von Wasser-Glykol-Gemisch als Wärmeträgermedium (in Netzen mit Vorlauftemperaturen nahe dem Gefrierpunkt)
Das nPro-Tool hilft dabei, Rohrdurchmesser für kalte Nahwärmenetze automatisiert zu ermitteln und zu optimieren.

Wie werden Rohrdurchmesser für kalte Nahwärmenetze bestimmt?

Für die Bestimmung der Rohrdurchmesser müssen zunächst die Massenströme zu und von allen Gebäuden ermittelt werden. Dies ist aufgrund der installierten Wärmepumpen in den Gebäuden für kalte Nahwärmesysteme etwas umständlicher als für konventionelle Wärmenetze, in denen lediglich ein Wärmeübertrager im Gebäude installiert ist. Die Massenströme richten sich nach dem Wärmestrom am Verdampfer der jeweiligen Wärmepumpe, welcher wiederum von der Leistungszahl der Wärmepumpe sowie dem Wärmebedarf des Gebäudes abhängt. Für eine korrekte Auslegung sollte hierbei nicht nur die Stunde mit dem höchsten Wärmebedarf betrachtet werden, sondern idealerweise der gesamte Jahresverlauf. Der Massenstrom in der Gebäudeanschlussleitung lässt sich dann über die wohlbekannte Formel $$m = \frac{Q}{c_P \cdot (T_{\mathrm{Vorlauf}} - T_{\mathrm{Rücklauf}})}$$ ermitteln. Sind für alle Gebäude die Massenstromprofile bekannt, können - sofern es sich bei der Netztopologie um ein Sternnetz handelt - diese mit Hilfe der Massenstromerhaltung im Wärmenetz für jeden Punkt des Netzes ermittelt werden. Im nächsten Schritt können für jeden Rohrabschnitt geeignete Durchmesser gewählt werden, sodass die Fließgeschwindigkeiten sich in einem geeigneten Bereich bewegen. Hierfür können bekannte Auslegungsempfehlungen herangezogen werden, welche zum Teil erfahrungsbasiert und zum Teil mittels techno-ökonomischen Optimierungsmodellen ermittelt wurden. Um den Druckverlust in einem Rohrabschnitt letztlich zu berechnen, können die bekannten formelmäßigen Zusammenhänge aus der Strömungsmechanik herangezogen werden: $$\Delta p_{V} = \lambda \frac{l}{d} \rho \frac{v^2}{2}$$ Hier ist \(l\) die Länge des Rohres, \(d\) der Rohrdurchmesser, \(\rho\) die Dichte des Fluids und \(v\) die Strömungsgeschwindigkeit. Der interessanteste Parameter ist der Reibungskoeffizient \(\lambda\). Dieser kann aus dem Moody-Diagramm für unterschiedliche Strömungsbedingungen abgelesen werden. Das Moody-Diagramm ist im Folgenden dargestellt.

Moody-Diagramm für die Rohrnetzdimensionierung
Abbildung 1: Moody-Diagramm für die Rohrnetzdimensionierung, basierend auf [1].
Tabelle 1: Beispielhafter Strömungszustand für drei unterschiedliche Rohrdurchmesser
Physikalische Größe DN 80 DN 100 DN 125
Massenstrom 13,6 kg/s (49 t/h)
Volumenstrom 49,9 m³/h (13,9 l/s)
Strömungsgeschwindigkeit 2,76 m/s 1,76 m/s 1,13 m/s
Druckgefälle 993 Pa/m 312 Pa/m 99 Pa/m

Empfehlungen für die hydraulische Auslegung von Wärmenetzen

Die Ermittlung eines optimalen Rohrdurchmessers hängt von vielen Einflussfaktoren ab und lässt sich nicht direkt berechnen, da es sich um eine techno-ökonomische Optimierung handelt. Wenn sehr große Rohrdurchmesser gewählt werden, steigt die Anfangsinvestition, da sowohl die Rohre selber als auch die Installation (Erdaushub, etc.) höhere Kosten verursachen. Auf der anderen Seite führen große Rohrdurchmesser zu geringen hydraulischen Verlusten (Druckverlusten) und daher zu Einsparungen bei der Pumparbeit, also elektrischen Kosten für den Betrieb der Netzpumpen. Das zu lösende Optimierungsproblem hängt also beispielsweise von Faktoren wie Rohr- und Verlegekosten, Strompreisen (für Pumpbetrieb) ab, welche in jedem Projekt individuell sind. Ein für alle Wärmenetze gültige Auslegungsrichtlinie kann es daher nicht geben. Insbesondere bei kalten Nahwärmenetzen sind die bislang verwendeten Auslegungsempfehlungen nur bedingt aussagekräftig: Wenn Kunststoffrohr verwendet werden, sind die Investitionen für das Netz wesentlich geringer als bei herkömmlichen, gedämmten Kunststoffmantelrohren. Es können daher größere Rohrdurchmesser vorgesehen werden, weil sich dies nur geringfügig in größeren Kosten niederschlägt. Gleichzeitig sind bei kalten Nahwärmenetzen die Temperaturdifferenzen zwischen kaltem und warmem Leiter (Vor- und Rücklauf) geringer als bei normalen Wärmenetzen. Dies führt zu hohen Volumenströmen, welche durch größere Rohrdurchmesser jedoch kompensiert werden können. Neben den ökonomischen Einflüssen können auch technische Faktoren eine Rolle spielen. Wenn beispielsweise in einem kalten Nahwärmenetz die Temperatur im Netz aufgrund von Wechselwirkungen mit dem umgebenden Erdreich nicht zu stark abfallen oder ansteigen darf, könnte es sinnvoll sein einen kleineren Rohrdurchmesser zu wählen, da dieser zu einer höheren Strömungsgeschwindigkeit führt und dadurch die Temperaturabsenkung bzw. der Temperaturanstieg pro Meter Netzlänge verringert wird. In Abbildung 2 sind verschiedene Auslegungsempfehlungen für konventionelle Wärmenetze dargestellt. Mangels spezieller Empfehlungen für kalte Nahwärmenetze können diese als grobe Orientierung genutzt werden. Diese sind auch im nPro-Tool hinterlegt und werden für die halb-automatisierte Netzauslegungsrechnung verwendet.

Empfehlungen zur Rohrnetzauslegung von Nahwärmenetzen
Abbildung 2: Empfehlungen zur Rohrnetzauslegung von konventionellen Wärmenetzen, Abbildung basierend auf [2]

Quellen

  1. Original diagram: S Beck and R Collins, University of Sheffield (Donebythesecondlaw at English Wikipedia) Conversion to SVG: Marc.derumaux, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons
  2. T: Nussbaumer, S. Thalmann: Influence of system design on heat distribution costs in district heating, Energy, 101, 496-505, 2016. DOI: 10.1016/j.energy.2016.02.062
  3. Österreichisches Kuratorium für Landtechnik und Landentwicklung: ÖKL Merkblatt-Nr. 67, 2nd edition, Vienna 2009 (withdrawn 2014).
  4. Frederiksen S, Werner S. District heating and cooling. Lund: Studentlitteratur AB; 2013, ISBN 978-91-44-08530-2.

Das könnte Sie auch interessieren

nPro Software

Plane dein Quartier mit nPro!

Newsletter

Wir informieren Sie zu neuen Tool-Features und Angeboten.